Actien-Gesellschaft "Weser"
1872 - 1926
Gut einen Monat nach dem Verkauf der Firma Waltjen & Co. kam es am 26. März 1872 zur Gründungsversammlung
der Act. Gesellschaft „Weser“.
Zu den Gründungsmitgliedern gehörten
F. Achelis, J.A. Abraham, C. Bechtel,
R. Feuerstein, W. Finke, R. Fritze,
C. E. F. von der Heyde, L. Knoop, J.G. Lohmann,
C. F. Marwede, C. T. Melchers, G. F. Migault,
A. G. Mosle, J. H. Niemann, C. Papendieck, G. H. Rohte, C. Waltjen und D. H. Wätjen.
Der Vorstand sowie der Aufsichtsrat wurden gewählt. Carsten Waltjen sollte mit seiner Erfahrung unbedingt in der neuen Firma eingebunden werden und wurde in den Vorstand berufen.
Zum ersten Direktor der Act. Gesellschaft „Weser“ wurde Wilhelm Overbeck gewählt, der unter Carsten Waltjen technischer Vorstand war.
Nach dieser Versammlung konnten nun sämtliche Anlagen der Firma Waltjen & Co. übernommen werden und der Betrieb sofort weitergeführt und vergrößert werden.
Im Gründerjahr Jahr 1872 wurden 3 Schraubendampfer, die Diana, Vulcan sowie die Delbrück (Bau-Nr.19, 20, 21) an Reedereien ausgeliefert. Ebenfalls kam es zu weiteren Fertigstellungen wie ein Dockverschluß, mehrere Baggerschuten, Uferkränen, Eisenbahnbrücken usw.
1873 begann der Bau zweier Fluss Monitore, die SMS Mosel und SMS Rhein (Bau-Nr. 23, 24) für die Kaiserliche Marine. Diese wurden im darauffolgenden Jahr an die Kaiserliche Marine ausgeliefert. Mit dem Bau der Monitore stieg die Werft endgültig in den Kriegsschiffbau ein. Unterstützt wurde der Einstieg durch den Flottengründungsplan der Kaiserlichen Marine aus dem Jahre 1873, der den Ausbau der Flotten vorsah. Nach dem Plan sollten die Schiffe der Kriegsflotte ausschließlich in deutschen Marinewerften und in Privatwerften gebaut werden.
Zunächst kam es erst einmal zum Bau dreier Frachtdampfer für die DG „Neptun“ die alle im Jahre 1874 abgeliefert wurden.
Der Flottengründungsplan der Kaiserlichen Marine sah 18 Kanonenboote vor, davon erhielt
die Act. Gesellschaft „Weser“ den Auftrag zum Bau von 11 Booten. Für die Werft war dieser Auftrag der erste große Serienauftrag.
Am 6. Juli 1876 kam es zum ersten Stapellauf des Kanonenbootes SMS Wespe (Bau-Nr.31) dieser Serie. 1881 lief das letzte Boot der Wespe-Klasse die SMS Hummel (Bau-Nr.45) vom Stapel.
Diese Boote, im Volksmund auch Insektengeschwader genannt, sollten als schwimmende Batterien in flachen Flussmündungen der Nordsee eingesetzt werden da sie durch ihre geringe Größe kaum seefähig waren.
Von der Kaiserlichen Marine erhielt die Werft viele weitere Aufträge. Mit den Aufträgen zum Bau von sieben Torpedobooten veränderte sich die Technik des Schiffbaus wesentlich. Nunmehr spezialisierte sich die Werft auf den Bau von Torpedobooten.
Die Act. Gesellschaft „Weser“ hatte den Vorzug erhalten, die ersten Torpedoboote für die Kaiserliche Marine zu bauen.
Das erste Torpedoboot der „Schützenklasse“, die SMS Schütze (Bau-Nr.54) wurde im Jahr 1882 ausgeliefert. Ebenfalls 1882 kam das letzte Boot der Serie, die SMS Sicher (Bau-Nr.60) zur Ablieferung an die Kaiserliche Marine.
Rasch folgten weitere Aufträge der Marine, bis zum Jahre 1905 wurden 50 Kriegsschiffe an die Kaiserliche Marine ausgeliefert.
Unter diesen Schiffen befanden sich unter anderem die Panzerkanonenboote SMS Brummer (Bau-Nr.52) und die
SMS Bremse (Bau-Nr.53),das Torpedoboot SMS Jäger (Bau-Nr.61), sechs weitere Torpedoboote 12-17 (Bau-Nr.69-74), die beiden Küstenpanzerschiffe SMS Beowulf (Bau-Nr.100) und SMS Frithjof (Bau-Nr.101), der Große Kreuzer SMS Victoria Louise (Bau-Nr.116), die Kleinen Kreuzer SMS Ariadne (Bau-Nr.127) und die SMS Medusa (Bau-Nr.128) sowie die SMS München (Bau-Nr.138).
Weitere Kriegsschiffe für andere Regierungen wurden gebaut, unter anderem das Torpedoboot Torpedero I (Bau-Nr.65) für Spanien, der Kreuzer Persepolis (Bau-Nr.75) und das Polizeiboot Susa (Bau-Nr.76) für die persische Regierung.
Neben dem hauptsächlichen Bau von Kriegsschiffen wurde der Zweig des Handels- und Passagierschiffbaus nicht vernachlässigt. Mehr als 90 Handelsdampfer wurden auf dem Gelände der Stephani-Kirchenweide für die Reederein Norddeutscher Lloyd, DDG „Hansa“, DG „Neptun“ und anderer Bremer Reederein, sowie für die Regierungen von Bremen, Hamburg, Lübeck, Oldenburg, Preussen usw. von der Act. Gesellschaft „Weser“ gebaut.
Es befanden sich alleine 20 Frachtdampfer für
die DG „Neptun“ darunter.
Das Frachtschiff Arion (Bau-Nr.25) wurde als erstes Schiff für die Reederei 1874 abgeliefert. Weitere folgten,
zB. 1892 der Frachtdampfer Luna (Bau-Nr.104),
1901 der Frachtdampfer Jupiter (Bau-Nr.140).
Für den Norddeutschen Lloyd wurden unter anderem der Seitenraddampfer Werra (Bau-Nr.2) 1857 abgeliefert,
der Schleppraddampfer Vulcan (Bau-Nr.4) 1857,
der Personenraddampfer Hecht (Bau-Nr.77) 1885, sowie der Reichspostdampfer Prinz Sigismund (Bau-Nr.136) 1903.
Weiterhin wurden von der Act. Gesellschaft „Weser“
bis zum Jahre 1905 51 Dampfbagger gebaut,
unter anderem einen für Dänemark und zwei für China,
sowie weitere Kräne, Bagger und Pontons.
18 der Dampfbagger wurden an Bremen ausgeliefert und waren eigens für die Unterweserkorrektion gebaut worden. Ebenfalls waren 11 der Dampfbagger für Preußen bestimmt, diese fanden bei dem Bau des Kaiser-Wilhelm-Kanals
(heute Nord-Ostsee-Kanal) ihren Einsatz.
Die Bagger hatten zum Teil eine Leistungsfähigkeit von 300cbm pro Stunde und waren imstande bis zu einer Tiefe von 11m zu baggern.
Ferner wurde auf der Act. Gesellschaft „Weser“ der Seebagger Franzius (Bau-Nr.119) gebaut, dieser hatte eine Leistungsfähigkeit von 1000cbm pro Stunde und war in der Lage 17m tief zu baggern.
Die modernen Schiffsbauten zwangen
die Act. Gesellschaft „Weser“ immer wieder zu Erweiterungen und Vergößerungen der Werft.
Hauptursache hierfür war ein weiterer Umschwung im Kriegsschiffbau und zwar die Herstellung riesiger Panzerschiffe und Kreuzer. Das Bestreben der Werft war die neuen Errungenschaften der Schiffstechnik, des Maschinenbaues und der Kriegskunst in der Schiffbauindustrie Rechnung zu tragen.
Der Kleiner Kreuzer SMS München (Bau-Nr.138) verliess,
als 50 Kriegsschiff für die Kaiserlichen Marine,
am 30.April 1904, (als letztes Kriegsschiff)
die Helling der Act. Gesellschaft „Weser“ auf dem Gelände der Stephani-Kirchenweide.
Der Platz der Werft, an der Stephani-Kirchenweide, reichte zu weiteren Erweiterrungen nicht mehr aus, ausserdem besaß die Werft nur eine Querhelling. Für den Bau der großen See- und Kriegsschiffe, sowie der modernen Fracht- und Passagierdampfer war die Errichtung von Längshellingen erforderlich.
Dadurch entschloß sich die Act. Gesellschaft „Weser“ zur Erbauung einer ganz neuen Werft und zur völligen Aufgabe des alten Areals und übergab das Gelände mit den Gebäuden am 30.06.1905 dem Norddeutschen Lloyd, für den Kauf-Preis von 1 500 000 Mark.
Vom 1. Januar 1901 an pachtete die Act. Gesellschaft „Weser“ für die Dauer von 60 Jahren ein Terrain in Gröpelingen, einem damaligen Vorort von Bremen an der Weser gelegen, für die Erbauung der neuen Werft und verlegten den Schiffbaubetrieb nach und nach dorthin.
Das letzte Schiff das auf dem
Gelände der Stephani-Kirchenweide gebaut wurde war
das Feuerschiff Fehmarnbelt
(Bau-Nr.369, Schiffe ohne Antrieb).
Am 22. Dez. 1904 nach dem Stappellauf fanden die Bautätigkeiten auf der Hellinganlage
der Act. Gesellschaft „Weser“ ihr Ende.
Text: J.Suhling
Bücher Slg.: J.Suhling
Quellenangabe:
Eckstein`s Biographischer Verlag Berlin:
Der Staat Bremen, Actien-Gesellschaft "Weser", Berlin ca. 1909
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